Kurzgeschichten aller Art

Werte Besucher, nicht wundern, wenn es teilweise chaotisch hergeht, ich "räume auf" und stelle ein wenig um

 

Ich werde einfach einige meiner Kurzgeschichten nach Titeln sortiert vorstellen …


 

 



Augen rollen

Es war zu Ende der sechziger, Beginn der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts. So langsam setzten sich die ersten amerikanischen Einflüsse in Deutschland durch, man hatte die ersten Cafeterias mit Selbstbedienung in den Kaufhäusern etabliert. So auch geschehen in der Universitätsstadt Gießen, günstige Preise und - von Studenten gerne genutzt - die Möglichkeit, Salat in drei verschieden großen Schalen zu schichten. "Profis" schafften locker die doppelte Menge auf einem Tellerchen aufzuschichten, die ein normaler Besucher in die große Schale schaufelte. Eine Frikadelle, Pommes frites und eine Riesenportion Salat für kleines Geld, das alles ließ das Geschäft boomen.

Nun stand ein solcher Student vor mir, ökologisch korrekt natürlich mit einer Papier-Einkaufstüte unterwegs und begann dieses Kunstwerk zu bilden. Da dabei die Tüte irgendwie im Weg war, klemmte er sie unter der Achselhöhle ein. Mir war schon vorher aufgefallen, dass diese Tüte ein wenig feucht war, hatte mir dabei aber nichts gedacht, war ja nur ein kleiner Fleck. Während er nun versuchte. mittels dreier Salatblätter eine Zwischenschicht zu bilden um noch eine weitere Schicht Krautsalat und einiges mehr aufzuschichten begann die Tüte zu rutschen. Da er als einzige Möglichkeit, dies zu stoppen, ein festeres Einklemmen sah war wohl der Druck auf den Inhalt der Tasche zu groß geworden. Auf jeden Fall bildete sich plötzlich ein großer Wasserfleck, auch einige, wie Tanzschritte anmutende Bewegungen des Trägers halfen nichts mehr - die Tüte riss auf!

Etwas klatschte zu Boden, Flüssigkeit spritzte nach allen Seiten, als sich eine Plastiktüte öffnete und dann rollten drei Kuhaugen über den Boden. Der angehende Veterinär stand da wie vom Donner gerührt, kreidebleich, zu keiner Reaktion mehr fähig. Eine an einem Tischchen sitzende Frau schrie auf: »Agathe, das Auge schaut mich an, ich glaube, gleich muss ich mich übergeben.« Einige Gäste schoben demonstrativ ihre Teller von sich weg, teilweise gesunde Gesichtsfarben wechselten in ein ungesundes Grau, das Chaos war vorprogrammiert.

Ich nahm dem verdatterten Studenten den Salat aus der Hand und raunte ihm ins Ohr:
»Augen in die Reste der Plastiktüte und weg!«
Er schoss los, klaubte die Augen in das Plastik und verschwand blitzartig.

So kam ich zu einer Riesenportion Salat für kleines Geld, die Aufregung legte sich schnell, Spuren wurden beseitigt und aufgebrachte Gäste beruhigt. Auf die Frage, ob ich den Verursacher kenne musste ich dem Geschäftsführer wahrheitsgemäß sagen, dass er mir völlig unbekannt war.

Drei Wochen später besuchte der in München studierende Lehrerssohn mit einem Kommilitonen unser Dorf und fragte bei mir an, ob ich die beiden in die Studentenkneipe "Haarlem" in Gießen fahren könne. Zusagen und hinfahren war eines und während wir uns dort noch orientierten trat jemand auf mich zu, der Unglücksrabe!

»Hallo du, sauber, gut, dass du so reagiert hast, es hat niemand herausgefunden, dass ich der Übeltäter war. Trinkst du einen mit?«
»Nee, muss noch fahren!«
»OK, ich lasse eine Weinflasche für dich zurücklegen, wenn ihr fahrt, dann hol sie dir ab!«
»Danke, aber noch eine Frage, ich habe einige Spritzer abbekommen, worin waren denn die Augen eingelegt?«
»Salzwasser, nur Salzwasser.«


 

Das ist mein Brot

Neulich beim Discounter:

Ich stehe am Brotbackautomaten, der mir nach Tastendruck für mein Lieblingsbrot mit freundlicher Stimme empfohlen hat, noch einen Moment zu warten. Es nähert sich eine Kundin und betätigt die gleiche Taste.
Mit dem Hinweis, dass dies noch einen Moment dauern würde, fällt mein Brot in den Ausgabeschacht. Ich nehme es an mich, um es in die bereitgehaltene Tüte zu stecken, da macht sie mich an:

»Moment mal, das ist mein Brot!«
»Nein, das ist meins, auf das habe ich fast drei Minuten gewartet.«
»Aber ich habe so ein Brot angefordert!«

Eine weitere Kundin ist stehen geblieben und verfolgt interessiert die Debatte.

Ich kläre die "Kontrahentin" auf, dass ihr Brot vom Automaten angekündigt wurde und wohl gleich erscheinen wird, aber sie ignoriert dies, dreht sich um und fordert noch einmal ein Brot an. Prompt wird sie wieder auf eine kurze Wartezeit aufmerksam gemacht – und im nächsten Moment kommt schon ihr erstangefordertes Brot, kurz darauf auch das zweite.
Mit triumphierendem Blick packt sie ein Brot ein und schiebt von dannen …

Ich drehe mich zu der wartenden Kundin um und sehe entgeistert zu, wie diese – das vorhandene Brot ignorierend – das gleiche Brot anfordert. Als die nette Stimme sie auf eine Wartezeit aufmerksam macht schnappt sie sich achselzuckend das vorhandene Brot und verschwindet zwischen den Regalen …


 

Das Russentischchen

In der Werkstatt des alten Bauernhofes stand schon seit Jürgen sich zurückerinnern konnte, ein kleines Tischchen, über und über mit Farbklecksen bedeckt, drei Farbtöpfe und eine Dose mit eingetrockneten Pinseln darauf. Als seine Tochter Marlene ihn gefragt hatte, ob sie dieses Tischchen als Blumentischchen haben könnte, es würde haargenau in die Ecke neben dem Balkon passen und, gaaanz lieber Augenaufschlag, seit Jahren perfektioniert, »nicht wahr, Papi, Du machst es mir schön zurecht?«, da hatte sie schon gewonnen. Er grummelte vor sich hin, strich ihr übers Haar und meinte:
»Okay, Kleines, klar mache ich es Dir zurecht, aber weißt Du überhaupt, was das hier ist?«
»Nein,« grinste sie, »aber wie ich dich kenne, wirst Du es mir gleich erzählen.«
» Nee, nee, das machen wir heute Abend wenn auch dein Mann dabei ist.«

Zum Abendessen saß man in der alten Bauernküche an langen Esstisch zusammen. Da das junge Paar dabei war und auch Marlenes Bruder Peter einen Abend mal nichts vorhatte, war man mit Oma Maria zu sechst.
»Seltsam Mutter, wenn wir hier nur zu dritt sind, da lässt Du dich von Renate von hinten und vorne bedienen, und heute bist Du gesprungen wie ein junges Mädchen.«
»Mach dich nicht lustig über mich, früher habe ich hier zwölf Leute allein versorgt, da kann Renate auch für uns drei ...“
»… und dafür spült sie hinterher immer, aber heute machen das Marlene und ich«, lenkte seine Frau ein, wohl wissend, dass sich ihr Mann Sorgen um die zunehmende Lethargie seiner Mutter machte.

»Ja, ja, als ich hier einheiratete, da saßen teilweise vier Generationen hier am Tisch, dazu zwei Mägde und ein Knecht, da wurde es schon mal eng, aber zu Essen war immer genug da.«
Jürgen unterbrach sie.
»Immer genug zu Essen da, das ist der Punkt, wo das Russentischchen ins Spiel kommt.«

Er wandte sich zu den jungen Leuten: »Euer Großvater war ja in diesem unseligen Krieg, der Knecht ebenfalls und da meine Mutter zwar schon mit ihm liiert, aber noch nicht verheiratet war, wurde sie bei sich zu Hause gebraucht. Eure Urgroßeltern waren mit zwei BdM–Mädchen aus der Stadt nicht in der Lage, den Hof ordnungsgemäß zu führen. Also wurde ihnen ein russischer Kriegsgefangener zur Arbeit auf dem Hof zur Verfügung gestellt. Der wurde in den ersten Tagen gebracht und wieder abgeholt, aber das ging auf die Dauer nicht, Uropa Hannes hat mächtig Druck gemacht und so konnte der Gefangene über Nacht bleiben.

Er wurde in der Knechtkammer untergebracht und hätte normalerweise eingesperrt werden müssen, aber da das Melken schon mitten in der Nacht losgehen musste, hat mein Opa auch durchgesetzt, dass das Zimmer offen blieb. Er hat mir später erzählt, der Hauptgrund war, dass bei einem eventuellen Luftangriff, mit dem man ja auch rechnen musste, der Russe die Chance haben sollte, sich zu befreien.

Zu den Regeln gehörte auch, dass die ausgeliehenen Gefangenen nicht am großen Tisch mitessen durften. Also wurden vom örtlichen Schreiner in Serie ein und zwei Personen–Tische gefertigt, die dann möglichst ca. drei Meter vom eigentlichen Esstisch entfernt aufgestellt wurden. Außerdem waren Qualität und Quantität der Speisen ziemlich weit unten anzusetzen. Dass diese Regeln eingehalten wurden, dafür sorgten die örtlichen NSDAP–Größen mit plötzlichen Kontrollbesuchen.

Opa hat seinem "Russen" so schnell wie möglich etwas deutsch beigebracht, und Josef, so sein Name, durfte natürlich am Tisch mitessen, immer auf Geräusche der Haustür achtend, die, wie auf den Dörfern Sitte, erst mit dem Schlafengehen und dem damit verbundenen Löschen der Lichter verschlossen wurde. Wenn man das Öffnen der Haustür hörte, schnappte sich Josef einen Teller mit zwei Kanten Altbrot und einem Endstück Wurst und verzog sich zum – Russentischchen.

Josef berichtete auch, dass andere Bauern seine Landsleute quälten und schlugen und so wenig zu essen zugestanden, dass diese teilweise von den Quetschkartoffeln für das Schweinefutter stibitzten. Dass er nach getanener Arbeit kurz vor dem Schlafengehen schon mal ein Glas Obstwein mittrinken durfte, er hütete sich, dies seinen Kumpels zu erzählen.

Zum Kriegsende, als die russischen Gefangenen frei gelassen wurden und in Horden durch die Dörfer zogen, durchaus bereit besonders auffällige Ex–Arbeitgeber zu bestrafen, hatte Opa Hannes nichts zu befürchten!

Am Tag des Abtransportes Richtung Russland kam Josef tieftraurig zu Opa und sagte in seinem gebrochenen Deutsch: »Bauer, war schönste Zeit von mein Leben hier, ich, wenn wieder zu Hause in Russland, gehe Sibirien oder – das hier«. Mit diesen Worten fuhr er mit der flachen Hand vor seiner Gurgel her.

Man hat nie wieder von ihm gehört.

 Haltet das Tischchen in Ehren!«


 

Der Nussk(n)acker

 

Johann Peter Schaefer - »Schaefer mit “AE“ bitte sehr« - Frührentner und Opa einer fünfköpfigen Enkelschar ist für jeden Blödsinn zu haben. Das ist auch seinen Enkeln bekannt, seine Lieblingsenkelin, die jüngste, knapp zehnjährige Lena, nutzt dies auch weidlich aus …

Nachdem im letzten Herbst beide, Lena und ihr Opa, mit Stolz den größten Drachen der Siedlung hatten steigen lassen, ein Riesenmonstrum in Form eines Drachen, mit einer Vorrichtung versehen, die ab und zu per Fernbedienung aus einer Gaskartusche Feuer speien konnte, hatte sich Lena ausbedungen, dass es in folgenden Jahr ein tatsächlich fliegender Drache sein musste.
 Sie hatte auf Facebook die „fliegende Hexe“ gesehen, ein Modellflugzeug in Form einer Hexe auf einem Besen. Opa Peter hatte sich nur zu gern breitschlagen lassen und werkelte an diesen Trumm herum.

Hinter ihm erklang Lenas Stimme:
»Opa Peter, wann ist es denn so weit, dass wir Nüsse pflücken können?«
»Lena, da gehen noch einige Wochen ins Land, und wir werden früh genug unter dem Baum freirechen, dann brauchst du sie nur aufzulesen.«
»Menno, ich wollte aber jetzt schon Nüsse haben, nicht erst zu Weihnachten!«
»Warte ein wenig, ich bringe dir welche mit wenn ich das nächste Mal zum Einkaufen fahre …«
»Aber welche mit Schale, sonst ist der Spaß nur halb so groß!«
 »Geht klar, kleine Mäusekönigin.“

Mit einem glockenhellen Lachen entschwand die Kleine, er hörte nur noch ein »ich freu mich schon drauf …«

“Opa Peter“ lächelte vor sich hin, als er sich wieder die Zeit vor knapp einem Jahr ins Gedächtnis zurückrief, als Lena mit den aufgelesenen Nüssen kam und sich beschwerte, dass der vorhandene Nussknacker die eingeschlossenen Nüsse mit dem Knacken der Schale teilweise auch zerstört würden.

Sie hatte irgendwann mal die Geschichte vom “Nussknacker und Mäusekönig“ gelesen, und seit dieser Zeit schwärmte sie schon in jedem Jahr davon, einmal einen richtigen Nussknacker zu besitzen, einen in der Art der Gardesoldaten des “Alten Fritz“, der die in den Mund geschobenen Nüsse sauber und unzerstört von der Schale befreite. Er hatte zu ihr gesagt:
 »Pass auf, mein Mäuschen, besser gesagt, meine “Mäusekönigin“, ich werde dir einen solchen Nussknacker bauen, will dafür aber einen schön geschriebenen Wunschzettel haben, den ich mir an einer Stelle anhefte, die ich immer sehen muss, damit ich das nicht vergesse!«

Noch am gleichen Abend drückte ihm die Kleine einen verschlossenen Brief in die Hand, in dem ihr Wunschzettel liegen sollte, er solle ihn aber erst aufmachen, wenn sie schon im Bett läge.

Als er später den Brief öffnete, da stand in ihrer schönsten Handschrift der Satz:
 Ich wünsche mir für Weihnachten einen “Nusskacker“!

Die nächste Zeit war Peter in der – wie in der Vorweihnachtszeit üblich – verschlossenen Werkstatt schwer beschäftigt, er hatte sich vorgenommen, dem schriftlichen Wunsch der Enkelin entsprechend, einen “Nusskacker“ sowie, ihrem vorher geäußerten Wunsch nachkommend, einen “Nussknacker“ zu bauen. Die Bauanleitung für den Nussknacker hatte er sich im Net heruntergeladen, das war eine Kleinigkeit, der Nusskacker allerdings, da musste er ein wenig basteln.

Sich an der Mechanik eines Süßstoffspenders orientierend entstand Größenordnungskonform zum Nussknacker ein hockender Soldat, innen schön ausgehöhlt, der, wenn man ihm auf die Mütze drückte, eine Nuss aus dem Popo fallen ließ.
 Beide Gestalten wurden mit den gleichen Farben bemalt und er verpackte sie in zwei Päckchen, wobei die Version des „kackenden“ Soldaten mit dem aufgeklebten Wunschzettel unter den Baum kommen sollte, das zweite Exemplar aber in seinem Zimmer verblieb.

An Heiligabend, nach all dem “Brimborium“, das er eigentlich nicht so mochte, fieberte er der Überraschung entgegen. Es kam zur Verteilung und zum Auspacken der Geschenke, aber statt des von ihm erwarteten »Iiih, was ist denn das?«, seiner Enkelin kam ein Triumphschrei:

»Klasse Opa, genau so habe ich mir das vorgestellt, damit habe ich eine Wette gegen acht Klassenkameradinnen gewonnen, die mir nicht glauben wollten, dass du das so machst!«

Nachdem sie allen in der Familie das Teil vorgeführt hatte kam sie zu ihm, kletterte auf seinen Schoß, schlang ihre Ärmchen um seinen Hals, küsste ihn und flüsterte:

»Danke, Opa, dass du das für mich gemacht hast – und wie ich dich kenne gibt es auch noch einen echten Nussknacker, den hätte ich gerne auch noch, damit wir die Nussschalen knacken können, um den Kollegen mit Nüssen zu füttern, der sie dann für uns Kacken kann!«


 

Der Überfluss

In einem kleinen Dorf lebte ein Kleinbauer direkt neben dem größten Bauern im Ort. In einer Zeit, als der Misthaufen vor dem Haus vieles über die Besitzer aussagte, konnte man sehen, dass der Kleinbauer sehr wenig Tiere hatte, aber mit dem akkuraten Aufschichten des Misthaufens und der Sauberkeit auf dem gesamten Hof zeigte er auf, dass überall Ordnung herrschte. 

Der Großbauer sah das nicht so eng, ihn wurmte aber mit der Zeit, dass man ihn sogar darauf ansprach, wie ungepflegt alles aussah. Kurzentschlossen wurde mit einem Anbau an den Kuhstall im rückseitigen Garten dort eine maschinelle Entmistung eingebaut, mit der alles auf einem großen Haufen in der Mistgrube landete, an der natürlich nichts "geschichtet" wurde und der Misthaufen nach kürzester Zeitüber den Rand ragte.
 Von diesem Misthaufen aus lief nach einiger Zeit auch Jauche über den gepflasterten Hof und landete im Garten es Nachbarn.

Als ein Dorfbewohner zu Besuch da war und sah, was da im kaum zu sehenden Teil passierte und wie das roch, meinte er:
»Warum unternimmst Du nichts gegen den Großkotzerten?«
»Komm mal mit, ich zeige Dir was!«
Er hob einige an der Grundstücksgrenze liegende Bretter hoch, uner denen eine kleine Rinne sichtbar wurde, die zu den Komposthaufen im Grabgarten führte:
 »Hier lasse ich in einer Grube die Jauche auf meine Gartenabfälle laufen und schichte sie anschließend dort auf einen der Haufen auf. Man glaubt kaum, welch ein toller Dünger bis zum Frühjahr dadurch entsteht, der den Zukauf von teurem Kunstdünger überflüssig macht ► dieser "Überfluss" vom Nachbarn!«

 


 

Der verkaterte Stiefel

Ein Stiefel für einen wackeren Rittersmann zu fertigen, das war für den Zunftmeister der Stiefelmacher in der Stadt Tannengrund am Fuße der Burg Hohentann eine besondere Auszeichnung. Mit viel Sachverstand und Bedacht hatte er das Leder für den Zuschnitt ausgesucht und die einzelnen Lederstücke peinlich genau aufgezeichnet. Dabei fiel ihm zwar auf, dass für den linken Stiefel an der Spitze eine Winzigkeit Leder fehlen würde, aber er war sich sicher, dass das niemand bemerken würde.

Als er die Stiefel angefertigt hatte, waren es auch wirklich schwarz glänzende Meisterstücke, lediglich der linke Stiefel trug "die Nase etwas hoch", wie der Lehrling respektlos anmerkte, was ihm eine kräftige Maulschelle des Meisters einbrachte. Man machte sich auf den Weg zur Burg und lieferte die Stiefel gegen gutes Geld bei der Burgherrin ab, was den Meister dann dazu brachte, sich und dem Lehrling einen Feierabendtrunk zu genehmigen.

Auch auf der Burg ging es hoch her, der Ritter Franz von Hohentann feierte Geburtstag, der Wein floss in Strömen, und als die Burgherrin ihrem Gemahl die Stiefel als Geburtstagsgeschenk überreichte, wurde dies lautstark bejubelt und die Stiefel in Augenschein genommen.

"Mein Ritter, neue Stiefel sollte man nicht so, wie sie sind, anziehen, ich würde an ihrer Stelle - mit Verlaub gesagt - hineinpissen und dann eine Zeit lang mit den Stiefeln herumlaufen."

"Gemach, Junker Friedrich, das kann ich immer noch tun, wir wollen das Geschenk meiner lieben Frau jetzt erst mal kräftig begießen - und was würde sich besser dafür eignen als dieser vorwitzig aussehende linke Stiefel selbst!"

Mit diesen Worten goss der Ritter den linken Stiefel voll Wein, setzte an, trank und reichte ihn weiter. So ging das nun mehrere Stunden lang, wein wurde nachgeschüttet, der Stiefel ging reihum, wurde geleert, gefüllt, ging reihum wurde ...

Irgendwann wurde dem Stiefel recht schwindelig im Kopf, aber er genoss es, so bevorzugt zu werden, während sein rechter Bruder inzwischen vom Tisch gestoßen worden war und manche Füße auf ihm herumtrampelten.

Nun, jede Feier geht einmal zu Ende und so auch diese. Die Gäste hatten die Burg schon lange verlassen, als der am Tisch eingeschlafene Burgherr wach wurde, weil ihn die Blase drückte. Irgendwo in seinem umnebelten Hirn kam die Erinnerung an das Satzfragment "... ich würde an ihrer Stelle - mit Verlaub gesagt - hineinpissen ..." und er führte das kurzerhand bei dem noch mit Weinresten gefüllten Stiefel aus.

Anschließend brüllte er nach seinen Knappen, die ihn zum Schlafgemach führen und dann den Raum zu säubern hatten. Die ganze Zeit hatte der Stiefel völlig fassungslos auf einer Bank gestanden, ihm war schwindelig und Kotzügel, er hätte sich gerne übergeben, aber das war ihm unmöglich! Er hoffte, durch nicht sichtbare Schwingungen sich so an den Rand zu manövrieren, dass er von der Bank kippen konnte, aber das Geschwabbel in seinem Inneren ließ ihn dies schnell aufgeben, zumal jetzt auch einer der Knabben kam, seinen derangierten Bruder aufklaubte, ihn mit spitzen Fingern nahm und Richtung Stall strebte, um den Stiefelinhalt auf den Dunghaufen zu kippen.

Um die Stiefel einigermaßen zu retten, legte er sie in einen Korb, schüttete Strohächsel darüber und schob alles in die Wagenremise. Dort blieben die Stiefel unentdeckt stehen, vergessen und offensichtlich auch nicht vermisst.

Lange Jahre später wurden die beiden Exemplare gefunden und in der Burg, die inzwischen als Museum diente, ausgestellt. Bei Führungen wies der Ur, Ur, Ur, Urenkel des ehemaligen Besitzers auf den Geruch hin, der immer noch dem einen Stiefel anhaftete:

"Dieser Stiefel riecht, als wäre er verkatert!"


 

   Die Blume "Frissmichnicht"

   

   Ein alter, alleinstehender Bauer hatte einen soliden Kornspeicher gebaut, der so gebaut war, dass kein Tier, vor allem keine Maus, hineinkommen konnte. Da das Getreide Lüftung brauchte, waren Lüftungslöcher mit Drahtgeflecht angebracht. Eines Tages bemerkte er, dass es einige Mäuse geschafft hatten, ein Lüftungsgitter zu durchbeißen und es sich mittels seiner Getreidevorräten gutgehen ließen.

Er brachte solide Lochbleche an, kaufte eine Katze und sperrte diese mit zu den Mäusen.

Was der Bauer nicht wusste:

Die Mäuse hatten, weil sie so gut roch, von der Blume "Frissmichnicht" nicht nur genascht, sondern viele Samen mitgefressen, die nun in der "Toilettenecke" der Mäuse wuchsen und erblühten. Durch diesen Duft war es der Katze unmöglich, lebende Mäuse zu fangen. Da diese sich aber schon gewaltig vermehrt hatten, konnte die Katze ganz gut von den toten Mäusen leben.

Da der Bauer merkte, dass da etwas nicht stimmte, aber, wenn er in den Speicher kam auch weder Mäuse noch Katze töten konnte, schloss er den Getreidespeicher ab und ließ den Dingen seinen Lauf.

Von da an herrschte ein ausgewogenes Leben im Speicher:

Die Mäuse konnten sich dick und rund fressen und vermehrten sich gewaltig, die Katzte wurde nach einiger Zeit immer fetter, da täglich einige tote Mäuse zu entdecken waren. Da an einer tiefen Stelle von draußen Grundwasser durch Ritzen drückte, war sogar genug Wasser da, der Kornspeicher war ein kleines Paradies.

Dies Paradies hatte einen kleinen Fehler:

Mit der Zeit nahm das Getreide immer schneller ab, und eines Tages war es so weit, es gab für die Mäuse kein Getreide mehr zu fressen. Dies war ein kleiner Schock, aber da Mäuse ja Allesfresser sind, machten sie sich nun über ihre toten Artgenossen her - und die Katze ging immer mehr leer aus.

Die die Katze nahm rapide ab, die Anzahl der Mäuse auch.

Als der Bauer nach Jahren wieder den Speicher betrat, waren alle Tiere tot!

Er kehrte alles zusammen, ein größeres und eine Unmasse kleinerer Gerippe, die Kotreste und die inzwischen vertrockneten Blumen, packte alles in mitgebrachte Kisten und vergrub diese am "Schindwasen" in rund drei Metern Tiefe.

    Wer weiß, wo sich der Schindwasen des Dorfes Nirgendwo befindet und tief genug gräbt, findet vielleicht noch Samen der Blume "Frissmichnicht" und kann damit die Welt retten …
 

 



Die Panne

Amalie bestieg wie jeden Samstagmorgen gegen fünf Uhr ihr "Rennschnitzel", den von ihrem Bruder getunten Opel Corsa. Auf grünem Grund, der Erstlackierung des Fahrzeuges, prangten verschiedene Obst- und Gemüseaufkleber, sozusagen ihr Frei-Park-Ticket am Wochenmarktplatz in Bornheim.
Sie ließ es mit der Fahrt langsam angehen, Udo, ihr alter Kumpel, dem sie jeden Samstag mit noch drei anderen aus der alten Clique zur Seite stand, wenn er seine selbst gezogenen Biowaren für die Stammkundschaft bereithielt, hatte ihr eingebläut, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

"So, wie ihr euch fühlt, so seht ihr auch aus - und ich möchte Leute am Verkaufsstand haben, die Zufriedenheit ausstrahlen!"

Zufrieden, ja, das war sie, fast allein auf der Autobahn in den neuen Tag fahrend, trommelte sie mit den Fingern den Takt mit, während sie begeistert den Text mitsang:
"It´s my life ..."

Das Unheil kam ohne große Vorwarnung, das Fahrzeug begann zu ruckeln, immer stärker und kaum, dass sie auf die Standspur gewechselt hatte, beendete ihr Auto die Fahrt mit drei, vier "Bocksprüngen" und dem folgenden abrupten Halten.

Missmutig sicherte sie ihren Veteranen und rief Udo - "Hi, es wird heute deutlich später, ich hab ´ne Panne" - und den ADAC an. Dort versprach man, dass der Fahrer mit Dienstantritt 6°° Uhr sofort zu ihr geschickt würde! Also zog sie sich ins Auto zurück, schloss die Türen und ließ sich von der Musik einlullen.

Ein kurzes Klopfen ließ sie aufschrecken, in Erwartung des ADAC-Engels leierte sie die Seitenscheibe herunter und blickte in das freundliche Gesicht eines jungen Mannes.
"Ich habe sie hier halten sehen, kann ich ihnen irgendwie weiterhelfen?"
"Danke für ihre Hilfsbereitschaft" - kurzer Blick zur Uhr - "aber in spätestens zwanzig Minuten kommt ein hilfsbereiter gelber Engel und ich fürchte, der muss mich abschleppen. Also, vielen Dank noch mal, das finde ich sehr nett!"
"Na, dann will ich mal weiterfahren ..."
Mit diesen Worten wollte sich der Unbekannte aufrichten, sie konnte es überdeutlich sehen, er stand in der sich nähernden gleisenden Lichtfülle eines heranbrausenden Lkw, Bremsen quietschten, ein dumpfer Schlag und der Platz neben dem Auto war leer ...

Amalie saß regungslos im Sitz, ihre Hände verkrampften sich am Lenkrad. Der leere Platz neben der Tür und der schräg stehenden Lkw, an dem zu den immer noch leuchtenden Bremslichtern die Warnblinker aufflammten, diese beiden Bilder brannten sich in ihr Gehirn. Sie begann am ganzen Körper zu zittern, mit der Erkenntnis dessen, was sie grade erlebt hatte, löste sich dann ein Schrei, der nichts Menschenähnliches an sich hatte, aus ihrer Kehle und sie brach zusammen!

Amalie spürte ein leichtes Schaukeln, bemerkte trotz geschlossener Augen, dass eine Beleuchtung vorhanden war, versuchte sich zu erinnern und sah verschwommen ein Gesicht, einen lächelnden jungen Mann, aus dessen Augen plötzlich grellrotes Licht auf sie zuschoss. Panisch versuchte sie sich aufzurichten, wurde aber daran gehindert. Sie bemerkte, dass sie festgezurrt auf einer Trage im Innern eines Krankenwagens lag. Im selben Moment setzte die Erinnerung wieder ein und traf sie wie ein Keulenschlag!
"Was ... wer ... der junge Mann ... was ist mit ...?"
Als der Notarzt mit kummervoller Miene den Kopf schüttelte, begann sie still zu weinen, bis sie wieder von Dunkelheit eingehüllt wurde.

 Vier Tage später stand ihr der härteste Weg bevor, sie ließ sich von den Ärzten auf eigenen Wunsch entlassen und von Udo zur Beerdigung fahren ...


 

Die Sache mit dem Stuhl - humorige Kurzgeschichte

Herr Karl Anton Mayerberg, von seiner Ehefrau Lore liebevoll "Toni" genannt, befand sich seit einigen Tagen bei einem Spezialisten in Behandlung. Er fühlte sich seit Wochen nicht wohl, schlapp, kurzatmig, irgendwie Sch…ße, wie er sich drastisch auszudrücken pflegte.

Seinen Hausarzt mied er seit einiger Zeit, hatte der ihm doch kategorisch erklärt: "Toni, es ist ganz einfach so, du musst abnehmen, zirka zwanzig Kilo, besser noch mehr und du solltest mit dem Rauchen aufhören. Am Besten, du deponierst deine Zigaretten bei deiner Schwester, das sind drei Kilometer zu Fuss, da kannst du hingehen, eine rauchen und dann geht es wieder zurück, so schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn so, wie ich deine Schwester Hermine kenne wird sie mit Freuden diese Regelung einhalten - und von dir erwarte ich dein Ehrenwort, dass du dich daran hälst."

Nein, das hatte er nicht mitgemacht, er rauchte weiter, auch die traditionellen drei Bier in der Eckkneipe wurden jeden Abend vertilgt und gegen seine Leiden sollte nun der Spezialist helfen. Der hatte alle möglichen Untersuchungen durchgeführt, bis hin zum EKG und meinte vor rund drei Wochen, dass er eigentlich nur noch Tonis Stuhl benötigte, um zu einem Befund zu kommen.

"Herr Mayerberg, morgen um acht erwarte ich sie, und, wie gesagt, ich benötige nur noch ihren Stuhl, um einen genauen Befund erstellen zu können!"

Unglücklich saßen nun die Mayerbergs in der Küche und diskutierten. Frau Mayerberg kam zu der Erkenntnis, dass ihre Stühle, weder Tonis noch ihrer, sich dafür eigneten, mit in die Praxis genommen zu werden, zu zerschlissen waren doch die Sitzpolsterungen. Man entschied sich, bei Müllers einen Stuhl auszuborgen, und am nächsten Tag fuhr man zum Arzt, natürlich mit Müllers Stuhl.

Dr. Wohlgemut schlug entsetzt die Arme über dem Kopf zusammen, als man ihm den Stuhl präsentierte, ging auf Hernn Mayerberg zu und tippte ihm mit den Worten, "ich meinte ihren Stuhl, ihren Stuhl, nicht irgendeinen Stuhl, ihren Stuhl" bei jedem Wort mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die nicht zu übersehende Wampe.

Zerknirscht machte man sich auf den Heimweg, mit dem Schicksal hadernd, dass der Spezialist sofort erkannt hatte, dass dies der verkehrte Stuhl war und beschloss, am nächsten Morgen mit dem richtigen, Tonis Stuhl, hinzufahren.

Als der Arzt die Beiden wieder mit einem Stuhl erblickte, da war es mit seiner Fassung vorbei.

"Ich habe doch ganz klar gesagt, dass sie ihren Stuhl (dreimaliges Antippen des Wohlstandserkers) mitbringen sollten!"
"Herr Doktor, das ist jetzt aber ganz gewiss der Stuhl, auf dem mein Mann jeden Tag sitzt."
"Ach ja, sitzen, da kommen wir der Sachlage näher. Wenn sie, wie bei den meisten Menschen üblich, einmal pro Tag zu einem, sagen wir "Größeren Geschäft" auf der Toilette sitzen, das, was sie da produzieren, das wird in der Fachsprache der Stuhl genannt!"
"Ach du Sch…ße."
"Ja, und genau die bringen sie mir mit. Aber das hat etwas Zeit, ich gehe für zweieinhalb Wochen in Urlaub. Wir haben jetzt Mittwoch, den 05. Mai, am Dienstag, dem 25. Mai sehen wir uns morgens um acht wieder, und dann haben sie ihren Stuhl dabei!"
Wird gemacht, Herr Doktor, jetzt weiß ich ja, was ich mitbringen soll meine …"
"Schon gut, ich merke, sie haben es erkannt, also bis …"
 "… Dienstag in vierzehn Tagen."

Dienstag, 25. Mai, 7°° Uhr, man rüstet sich in der Familie Mayerberg zum Arztbesuch. Lore meint:

"So, Toni, das Auto hast du ja schon aus der Garage gefahren, Heckklappe ist offen, du nimmst den Koffer und ich die zwei Eimer!"



 

Ein Eiermann brauch doch Kleingeld, oder?

Bauer Wagner und Bauer Georg waren Nachbarn. Besser gesagt, sie hatten ihre Höfe an der Dorfstraße genau gegenüber, beides alte Fachwerkhäuser, beide mit großem Bauerngarten, Grasgarten und einem ausgedehnten Hühnerhof für jeweils rund 100 Tiere.

Bauer Wagners Vater hatte schon vor Jahren angefangen, die Eier seiner fleißigen Produzenten über Land in die nächste Kleinstadt zu verkaufen, zuerst aus dem Seitenwagen seines Motorrades heraus, später mit einem Tempo Dreirad. Von dem Erlös und dem, was die Landwirtschaft sonst so abwarf, konnte man sich einen "Heizöl-Ferrari", einen gebrauchten Mercedes Diesel leisten. Aus dem heraus verkaufte Bauer Wagner dann auch seine Eier, immer schön aus mit kleingeschnittenem Stroh gefüllten Körben.

Bauer Georg, vom Vertriebsweg seines Nachbarn inspiriert, fuhr in die Kreisstadt zum Wochenmarkt, hatte dort einen Stand und begann, zweimal in der Woche die absolut frischen Eier an die Stadtbevölkerung zu verkaufen. Da das Geschäft gut lief musste er bald einen größeren Stall bauen, dem der Hühnerhof weichen musste, die Tiere saßen beengt im Stall, die Produktion und der Umsatz stiegen, zwei weitere Ställe folgten, alles zu Lasten des Bauerngartens und des Grasgartens.

Irgendwann schien ihm das Haus auch zu schäbig, es wurde abgerissen und ein neues gebaut - mit einem Schlachthaus für die Hühner und einem kleinen Geschäft darin integriert. Das Geschäft lief, die Arbeit war kaum zu schaffen und er genoss es, wenn alle ihn "Eierbaron" nannten. Die Kunden, die mit dem Spruch: "Ich weiß, der Eiermann brauch Kleingeld!" mit abgezähltem Geld an den Stand oder ins Geschäft kamen ließ er gerne - wie zufällig - die Packen Scheine in der Geldtasche sehen! Er fuhr immer das neueste Modell aus der Mercedes Flotte, zum Eiertransport immer die neuesten Transporter und auch die landwirtschaftlichen Geräte waren immer auf dem neuesten Stand!

Und Nachbar Wagner?

Nun, der fuhr weiterhin im schäbigen, meist aus dritter Hand gekauften Mercedes Diesel über Land und verkaufte Eier aus mit Häcksel gefüllten Körben. Seltsamerweise wurde seine Hühnerschar immer kleiner, seine Verkaufsfahrten aber immer länger. Und immer wieder war zu sehen, dass sein Eiervorräte bei seiner Rückkehr nur zum Teil abverkauft waren. Aber das interessierte die wenigsten, man nahm zur Kenntnis, dass seine Frau Haus und Hof in Schuss hielt und er täglich zur Verkaufstour aufbrach.

Er parkte seinen Wagen in einer Straße, nahm sich zwei der Henkelkörbe und zog los! Ein kurzes Klingeln an der Haustür, immer zur gleichen Zeit, die eine Hausfrau kam mit einer Schüssel und ließ sich die Eier hineinzählen, ein Dutzend große aus dem rechten Korb und zwei Dutzend kleine aus dem linken Korb, die nächste hatte selbst zwei Körbchen, eine dritte alte Eierkästchen aus dem Großmarkt, andere wieder Tupper- oder ähnliche Behälter.

Und alle zählten ihm mit dem Satz: "Gell, der Eiermann brauch Kleingeld!" das abgezählte Geld in die Hand. Und wenn jemand wissen wollte, wo die Eier herkamen, da zog er ein abgegriffenes Bild seines Hofes mit einer stattlichen Anzahl von Hühnern aus der Tasche. Es versteht sich von selbst, dass die Kunden für diese Eier einen stolzen Preis zahlten.

Gegen Mittag, das Auto war so gut wie leerverkauft, fuhr über einen Feldweg er bei einem bekannten Eiergroßhändler in den Hinterhof. Er lud dort von einer Palette die bereitgestellten Eierkisten in den Kofferraum seines Autos und je eine Kiste kleine und große Eier in die je drei Henkelkörbe mit Häcksel die auf den Sitzen des Autos verstaut wurden. Im Anschluß daran ging er wieder auf Verkaufstour. Und beim Ordern der Eier war er ein zäher Kunde, es wurde pro Ei um zehntel Pfennige gefeilscht.

Eines Tages wurde auf einer seiner Wiesen am Ortsrand ein Haus mit acht Mietpartien gebaut. Auf die Frage, ob er seine Wiese günstig verkauft habe kam die Antwort: "Nein, das baue ich selber!" Und wenn die erstaunte Gegenfrage kam, von welchem Geld das Haus denn gebaut werde, so kam von ihm als Antwort:

"Von dem Kleingeld, das der Eiermann immer brauch!"

Inzwischen steht dort ein zweites Mietshaus, aber er fährt immer noch einen alten, klapprigen Mercedes Diesel. Seine Tochter aber fährt einen Range Rover, den brauch sie, um die Reitpferde der Pferdefreunde zu transportieren, die dies für teures Geld in den Ställen unterstellen können.

 Und Nachbar Georg, inzwischen in einer Wohnung seines ehemaligen Nachbars wohnend, fährt seit seiner Insolvenz mit dem Fahrrad zum Wochenmarkt um bei dem Käufer seines ehemaligen Standes ein wenig Geld hinzuzuverdienen!


 

Geiz

Ja, wenn ich das Wort Geiz höre, das erinnert mich an unseren geizigen Junggesellen im Ort.
Der hat nie ne Frau gefunden ...

Der saß in diversen Tanzlokalen immer an der Theke, hatte den ganzen Abend ein Bier vor sich stehen - wohlgemerkt, ein Bier den ganzen Abend - und flirtete heftigst die Frauen an.
Vom Aussehen eher bieder, ich glaube, der trug sogar im Hochsommer ein Strickjäckchen - von der Mutter selbst gestrickt natürlich - war der Erfolg einer Gesprächsanbahnung eher mäßig, zu mehr als einigen Sätzen hat es nie gereicht, er brachte es einfach nicht über sich, den Damen ein Getränk anzubieten ...

Dann hatte man ihm ein "Date" verschafft, dessen Hergang ich leider verpasste:

Er betrat mit einer Frau am Arm ein Kirmeszelt, setzte sich zu Bekannten an den Tisch und bestellte ein Bier und eine Cola. Er nippte in gewohnter Manier am Bier, sie hatte die Cola relativ schnell leer und machte durch Gesten klar, dass sie von ihm gerne noch eine bestellt hätte - vergeblich.
Als sie selbst eine Cola bestellt hatte und der Kellner diese brachte bestellte er sich eine Bratwurst, die er anschließend verzehrte, Bierglas war noch halb gefüllt.
Nun zündete er sich eine Zigarette an - ohne ihr auch nur andeutungsweise eine anzubieten - rauchte drei, vier Züge und stupste sie aus.

Nachdem er die Zigarette in dieser Art auf fünfmal geraucht hatte, war das Bierglas immer noch minimal gefüllt, ihr Colaglas leer und sie drängte zum Aufbruch. Als der Kellner kam, zahlte er ein Bier, eine Cola und das Würstchen, die zweite Cola durfte die Begleiterin selbst zahlen.

Sie wurde nie wieder mit ihm zusammen gesehen.

Geiz muss vererbbar sein!

In diesem Dorf waren alle Landbesitzer (Feld, Wald, Wiesen) zur Versammlung der Jagdgenossenschaft eingeladen. Man diskutierte die Verwendung der Jagdpacht und zum Abschluss saß man noch ein wenig zusammen.
Damit das auch einen Anreiz hatte, bekam jedes Ehepaar einen Gutschein, der für ein Essen und zwei, drei Getränke ausreichte. Es wurde vorher festgelegt, dass dieses Geld verzehrt werden müsse, Auszahlungen gab es keine.

Die Eltern des besagten Junggesellen waren vorab beim Wirt gewesen und hatten sich erkundigt, ob man statt Speisen und Getränken auch einige Tafeln Schokolade bekommen könne.
Als dies bejaht wurde, machten sie den Wirt darauf aufmerksam, dass sie und einige andere Besucher demnächst bei besagter Versammlung einige Tafeln Schokolade mitnehmen möchten und er sich doch genug bereitlegen möge.

Am Abend der Versammlung tranken die beiden tatsächlich nur je ein Getränk und als der offizielle Teil beendet war ließen sie sich sofort das "Restguthaben" in Schokolade auszahlen, wobei sie mit dem Wirt noch verhandeln wollten, ob er ihnen für die letzten nicht verbrauchten 50 Pfennig noch eine halbe Tafel geben könne.
Auf seinen Hinweis, dass sie mit einer Zuzahlung von 50 Pfennigen ja noch eine ganze Tafel mitnehmen könnten gingen sie nicht ein und verzichteten am Ende wehmütig auf die 50 Pfennige ...

 


Jachon, der Großmeister

Im Raumschiff der Poronen begannen Sensoren Schaltungen in Gang zu setzen. Von Sternenkollektoren gespeiste Schaltelemente ließen Generatoren anlaufen, der Bordcomputer wurde von Flugautomatik auf aktiv geschaltet und begann sofort die Sensorenmeldungen zu analysieren.

Da alle Sensorangaben die Annäherung an eine lebensfreundliche Planetenansammlung anzeigten, wurden die Daten vom Computer durchgerechnet und das Ergebnis war, der dritte Planet ähnelte Poron verblüffend!

Nun schaltete der Bordcomputer zum zwanzigsten und letzten Mal das Programm zur Erweckung des in Eisesstarre im Tiefkühlschrank an der Außenhaut lagernden letzten Raumfahrer, desGroßmeisters ein und das Procedere der Reanimierung vollzog sich in gewohnter sekundengenauer Abfolge.

Wirre Bilder des zum Sterben verurteilten Planeten Poron zuckten durch den Kopf des Großmeisters und ließen ihn aufstöhnend erwachen.Zuerst war nur Dunkelheit um ihn, ein leises Summen, ein Ticken und lansam heller werdendes rotes Lichtund eine wohgeformte Stimme, seine Stimme, forderte ihn immer wieder auf, die Augen zu öffnen und eine Hand zu heben.

Kaum war er den Befehlen nachgekommen, schon wurde es deutlich schneller hell und eine sphärische Musik erklang. Während er die Funktionsfähigkeit seiner Glieder prüfte glitt auch schon die Abdeckung zur Seite und er konnte sich zu seinem eigenen Erstaunen ohne große Anstrengung erheben.

Er ging zu dem in der Mitte des Raumes stehenden Kommandopult und startete die rot leuchtende Infotaste. Sein Gesicht erschien und die Infos, die er sich nun selbst zeitversetzt gab ließen seine Hirntätigkeit in kürzester Zeit auf Hochtouren laufen und die gnadenlose Wahrheit erkennen:

"Du bist der letzte der Auserwählten, die auf dem Weg bis hier auf Beibooten zu lebensfreundlichen Planeten gesandt wurden. Erfülle hier deine Aufgaben, so wie sie dir angetragen wurden. Wenn ich dies zu dir sagen muss sind alle anderen unterwegs mit auf Rückflug nach Poron programmierten Gleitern auf Planeten ausgesetzt worden und versuchten, so wie Du es jetzt auch tun wirst, das Experiment zur Arterhaltung zu starten!Wenn einer erfolgreich gewesen wäre hätte er eine Nachrichtendrohne hinter dir hergeschickt, offensichtlich sind sie aber alle gescheitert und schon lange tot."

In kurzrn Worten legte sein Abbild den Plan dar, vorhandene Spezies der lebensfreundlichen Planeten darauf zu testen, ob deren Gene sich mit denen der Poronen verbinden ließen um eine neue, intelligente Lebensform zu erschaffen!

"Und nun ein Bild des Planeten, den das Navigationssystem anfliegt!"

Großmeister Jachon verschlug es die Sprache, minutenlang starrte er das Bild des Planeten an bevor er anfing zu stammeln:

"Ei, ei, ein blau, blau, blauer P, P, Planet, ein blauer Planet, dass ich das noch sehen darf, EIN BLAUER PLANET!

Fieberhaft prüfte er per Ferndiagnose alle Werte, Luftgemisch, Wasser, Metallvorkommen und seine Euphorie stieg mit jedem Ergebnis, auch, oder grade weil nichts auf nachrichtentechnische Aktivitäten hinwies!

Sobald es möglich war ließ er sich vom Beiboot zur Planetenoberfläche bringen und genoss als erstes einige Atemzüge der reinen, unverbrauxhten Luft, die ob ihrer Zusammensetzung schon als ideal getestet worden war!

Die Frische und der Geruch ließen ihn fast schwindelig werden, er atmete tief und genussvol ein bevor er sich mit dem Multigleiter auf Erkundung begab. Er sah Tiere, große und kleine und, ganz wichtig, sehr viele Säuger!

Aber währen der ganzen Zeit kam er sich vor wie ein Bildwandbetrachter, alles in sich aufsaugend, aber nicht involviert. Das änderte sich urplötzlich, als er beim Passieren einer Felsformation das Gefühl hatte, beobachtet zu werden!

Beobachtet?

 BEOBACHTET!


Intelligenz, kaum ausgeprägt, aber vorhanden!

Er zog den Gleiter nach oben, nebelte ihn ein und landete im Schutz der Nebelwand. Nun machte er sich auf die Suchenach dieser Lebensform - Tiere, die Beobachten und denken konnten!

Als er sie sah, sich auf zwei oder vier Beinen bewegend, miteinander kommunizierend kleine Säuger jagend, da wusste er, er war am Ziel!

Er suchte sich mehrere Weibchen aus, betäubte sie und nahm sie mit ins Beiboot um sie dort künstlich zu befruchten mit den von Unvertäglichkeitsträgern und Blutgruppenzugehörigkeit befreiten Spermien der ausgesuchten geistesgrößen seines Planeten Poron.

Nun hieß es nur noch, die Urmütter der neuen Lebensform in ein Gebiet zu bringen, wo noch keine anderen waren und sie mit Nahrung zu versorgen und die Geburten anzuwarten.

Bald war zu sehen, dass der Versuch erfolgreich war, die Spezialistenn hatten ihr bestes getan das Erbgut zwar kompatibel und dennoch dominat gegen die Urform zu gestalten, alle Weibchen waren schwanger und gebaren bald ihre Jungen, deutlich anders aussehend als die bisherigen!

Nach mehreren erfolgreichen Geburtsjahren zeigte sich, dass die neue Art, zwar langsamer wachsend als ihre wilden Vettern, denen heushoch überlegen waren und nach den ersten Paarungen untereinander die nachfolgende Generation immer deutlichere menschliche Züge annahm.

Emotionslos säuberte er eine riesige Fläche rund um sein kleines reservat von allen eventuellen Fressfeinden und zog sich für mehrere hundert Jahre auf sein Schiff zum Tiefschlaf zurück.

Als er sich wieder erwecken ließ brauchte er nicht lange zu suchen, um überall Ansiedlungen zu entdecken. Aber er sah auch, dass ein Asteroid einschlagen würde und für die Siedler die Gefahr bestand, von einer Riesenwelle hinweggefegt zu werden!

Per in Massenhypnose ausgesprochenen Worten, die begannen mit "hier spricht Jachon, ich kann euch nur vor der Sintflut rettewenn ..." zwang er die meisten, sich auf hohe Berge zu retten und sich genügend Tier und Getreide zum Überleben mitzunehmen. auch hielt er sie an, diese Plätze einzufrieden! Noch nach Jahrtausenden würde man von der großen Flut erzählen und dass man sie hinter Baumstämmen wie auf einem Schiff überlebt habe!

Nach weiteren mehreren hundert Jahren Kälteschlaf erschien er nochmal auf Erden, um eine ausgesuchte Jungfrau der neuen Spezies auf eine kommende Geburt vorzubereiten, sie zu betäuben und mit seinen eigenen, bis dato noch nicht eingesetzten Spermien zu befruchten. Nach der erfolgreichen Geburt startete er das Rumschiff, eine gleißende Helle hinterlassend, um sich auf den Rückflug nach Poron zu begeben.

Aus diesem letzten Kälteschlaf würde er nie wieder erwachen, brauchte es auch nicht, der Planet Poron war schon lange explodiert, die Navigation würde ihn nicht orten, er würde in Ewigkeit durch den Weltraum fliegen und niemlals würde jemand erfahren, dass das Experiment gelungen war!

Niemand?

Ich denke, wir wissen, dass es gelang!


 

Krankenhausfahrt, eine fast wahre Geschichte

Anja ist 53 Jahre alt, langzeitarbeitslos und, da ihr Gatte "genug" verdient, erhält sie auch keine "Stütze". Das heißt für sie im Klartext, dass die Familie auf Hartz 4-Niveau lebt, sie aber noch nicht einmal den wöchentlichen "Fresskorb" an der örtlichen Tafel abholen kann. Zum Glück hatte ihre Mutter ihr einen Personenbeförderungsschein finanziert und sie kann ab und an in einer Firma Kurierfahrten machen, durch diesen Schein auch Krankenfahrten. Eine einfache Fahrt in die nächste Großstadt bringt dann schon mal ca 30,00 € zusätzliches Haushaltsgeld, manchmal springt sogar ein Fünfer Trinkgeld heraus!.

Gestern aber hatte sie die "Arschkarte" gezogen, obwohl sich alles so gut anließ. Ihre Chefin schickte sie mit einem Patienten in die Stadt, von dem sie nicht wußte, ob er dort bleiben musste oder zurückgebracht würde. Sie ließ Anja mit der Aussage losfahren: "Du setzt ihn ab und machst dann zwei Stunden frei, bis dahin klärt sich, ob er mit zurück fährt oder nicht!"

Als Anja an besagter Abholadresse ankam stand dort der Patient, seine Frau, der Hund und diverse Gepäckstücke, Decken, Kissen usw. Die Ehefrau übernahm sofort das Kommando:" Mein Mann kommt auf die Rückbank, warten sie, ich polstere alles und decke ihn zu, sie können derweil das Gepäck einladen, wir wissen ja nicht, ob er dableibt oder wieder zurück kommt!"

Nachdem alles wohl verstaut war setzte sich die Ehefrau auf den Beifahrersitz, rief: "Pfiffi komm", und wartete mit dem Hund auf dem Schoß, dass Anja losfuhr. Auf Anjas Einwand, dass sie nicht im Begleitschein eingetragen sei meine sie nur, das hätte seine Richtigkeit. Im Krankenhaus angekommen ordnete sie an, Anja könne schon mal wegfahren, man würde in der Firma anrufen, wenn es mit der Rückfahrt soweit wäre und um den Hund möchte sie sich so lange kümmern! Sie könne ja auch so gegen drei Uhr wiederkommen, da sei man sicher fertig.

Anja zog mit Hund am langen Arm durch die Innenstadt, an Shopping war nicht zu denken, sobald sie den Köter irgendwo festband beschwerte sich dieser lautstark. Völlig entnervt kam sie gegen drei Uhr am Parkplatz an, wo Frau Schneider schon wartete.

"Mein Mann muss noch zu einer Abschlussuntersuchung, dann wissen wir, ob er mit zurück fährt oder hierbleibt. Ist ja auch ein wenig meine Schuld, der richtige Termin war gestern um 9°° Uhr und nicht heute um 11°°. So, ich gehe jetzt wieder rein, bis später. Ach lassen sie meinen Hund noch ein wenig an der Leine laufen!"

Geschlagene zwei Stunden später kam sie zurück mit der Info, dass der Mann doch dableiben musste. Anja hatte zwischenzeitlich mit ihrer Chefin gesprochen und erkundigte sich, wie das nun mit dem Transportschein sei.

"Welcher Transportschein?"
"Nun der, der sie berechtigt, mit mir wieder nach Hause zu Fahren, wenn sie den nicht haben oder schnellstmöglich beibringen, dann wird der Betrag ihnen in Rechnung gestellt."
"Waaaas, ich soll noch mal bezahlen, wo sie doch sowieso zurückfahren müssen!"
"Das wohl, aber ganz nebenbei habe ich sechs Stunden gewartet und den Hund gesittet!"
" Na so eine Frechheit, sie wollen wohl an den armen Angehörigen ihren Schnitt machen?"

Anja fuhr los, zahlte am Parkplatzende die Gebühr von 9,80 € und wollte gleich von Frau Schneider die Parkgebühr kassieren.
Als die sich lautstark beschwerte, dann doch einen Zehn-Euro-Schein zückte und sich penibel die zwanzig Cent herausgeben ließ, da konnte es Anja nicht lassen, ihre Chefin anzurufen um zu fragen, wie das mit dem Transportschein sei. Sie gab deren Antwort, dass dieser Schein innerhalb drei Tagen nachgereicht werden müsste an die Beifahrerin weiter, völlig überzeugt, dass sie eh kein Trinkgeld bekommen würde.

Und so war es auch!

Jetzt warte Anja auf ihre Abrechnung, aber sie macht sich keine Hoffnung, dass mehr als dreißig Euro dabei herausspringen.

30 Euro für neun Stunden Arbeitszeit incl. Hundesitting.

Was sagte sie noch zu ihrer Chefin: "Und dann musst du dir noch anhören, dass wir alle Halsabschneider sind und nur auf ihr Geld aus!"

Ist der Tankstellenpächter auch
... und das Autohaus
... und das Finanzamt
... und die Versicherungen
 ... und vor allen Dingen die Fahrer, die die Frechheit besitzen, vom Fahrpreis ein Drittel als Lohn zu behalten, dreißig Euronen für neun Stunden Arbeit! 


 

PIZZERIA

Als unsere Älteste drei Jahre alt war, wurde ihr von Oma, Opa und den Eltern immer wieder aus einem Bilderbuch vorgelesen, eine für den Vorleser anstrengende Sache, denn jede Schludrigkeit wurde von ihr sofort korrigiert mit den Worten: »Das heisst aber …«

Besonders meine Mutter, wenn schon müde, wurde dann praktisch in jedem zweiten Satz auf den richtigen Wortlaut hingewiesen. Sie hat schlussendlich eigene, immer neue Geschichten erzählt. Das aber nur am Rande.

Wie genau unsere Tochter das Buch kannte war zu erkennen, wenn man ins Kinderzimmer kam und sie mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester auf dem Boden sitzen sah, das aufgeschlagene Buch auf den Knien der Schwester vorlesend, den Finger immer auf der richtigen Stelle.

Eines Tages war mein Schwager zu Besuch, sah dieses Bild und war beeindruckt. »Die kann ja schon richtig lesen«, so kam er ins Wohnzimmer. Wir brauchten eine Weile um ihn vom Gegenteil zu überzeugen, aber auch mit diesem Wissen fand er das immer noch beeindruckend.

Nun war beschlossen worden, dass wir am Abend in die Pizzeria gehen wollten. Da es den Kindern zu lange dauerte, kam die Grosse irgendwann und fragte: »Wann gehen wir denn in die Pizzerei?« Auf den Verweis meines Schwagers: »Das heisst Pizzeria, sag mal Pizzeria«,  kam von ihr wieder »Pizzerei«.

Mit den Worten: »Das üben wir jetzt«, verschwand er mit den Kindern im Kinderzimmer und man hörte durch die Tür hindurch ein endloses hin und her des Dialoges: »Carolin, sag mal Pizzeria." mit der Antwort, »Pizzerei«.

Irgendwann kam er erschöpft und kopfschüttelnd aus dem Kinderzimmer und man hörte, während er die Tür zuzog im Hintergrund die Grosse zu ihrer Schwester sagen: »Eva, sag mal PIZZERIA« …


Schöpfungsgeschichte und Urknall

Als ich eines Tages in den Supermarkt gehen wollte wurde ich von einem netten Herrn mit der Frage konfrontiert:
»An was glauben Sie, an Gott, Jesus, die Bibel, die Schöpfungsgeschichte oder sind Sie eher sozusagen aufgeklärt und glauben sogar an den sogenannten "Urknall"?«

Meine Antwort:
»Klar glaube ich an Gott, beziehungsweise an ein höherstehendes Wesen das uns wie auch immer erschaffen hat.
Und dass es den Urknall gegeben hat steht, wenn man es richtig auslegt in der Schöpfungsgeschichte der Bibel geschrieben, denn als Gott "am Anfang Himmel und Erde schuf ", da hat er wohl kaum einen Klumpen Materie zu einem glühenden Ball geformt und in ein bis dahin noch nicht vorhandenes Firmament gehängt, umgeben von bis zu dem Moment noch nicht vorhandenen Sternen, Planeten, Meteoren und so weiter.
Mithin ist die Entstehung der Erde nur durch den Urknall mit diesem Satz offensichtlich beschrieben, oder?«

 Mein Gegenüber bekam einen zweifelnden, nachdenklichen Gesichtsausdruck, aber bevor er sich mit mir in ein weiteres Gespräch einlassen konnte wurde er von zwei " itstreitern" zur Seite gerufen, die sofort intensiv auf ihn einzureden begannen …

 


So ist das Leben

Langsam arbeitete sich Amoron vorwärts, vorsichtig jede Deckung ausnutzend schob er sich voran, getrieben von den Wahrnehmungen, die ihm ein Treffen mit einem Anderen seiner Spezies versprachen. Leises Knistern von Gras, das Schaben über den Boden, ein angenehm erdiger Geruch, das alles ließ ihn darauf schließen, dass dort ein Artgenosse ein Liebeslager vorbereitete.

Und schon konnte er den Duft wahrnehmen, der ihn sofort in Erregung versetzte und alle Vorsicht vergessen ließ. Zwei, drei schnelle Vorwärtsbewegungen und er erblickte zu seiner Überraschung Goram, einen alten Bekannten, hatte man sich doch schon mehrmals in den letzten Tagen getroffen ohne irgendwelche Gefühle füreinander zu zeigen. Nun aber schnellten beide aufeinander zu und umklammerten sich, wanden sich über und untereinander, befühlten und betasteten sich, die Bewegungen der Umklammerung wurden immer heftiger und nach kürzester Zeit kamen beide unter konvulistischen Zuckungen nacheinander zur Erfüllung. Nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten wurde ihnen sofort klar, dass sie sich in Gefahr befanden, so offen, wie sie sich präsentierten. Sie strebten auseinander, beide in Richtung ihrer eigenen, unterirdischen Behausung. Beide, jeweils vom anderen befruchtet, erreichten sie diese Behausung und richteten sich darauf ein, bald Nachwuchs zu bekommen.

Da durchbrach etwas neben Amoron die Wand, ein riesiges Maul öffnete sich und verschlang ihn!

 Zufrieden begab sich Morana, das Maulwurfsweibchen, zurück in ihre Höhle zum hungrigen Nachwuchs. Der fette Wurm sicherte wieder mal zwei Milchmahlzeiten für ihre Kleinen.


 

"Taxi bitte!" - "Wohin?" - "Hierher!"
 

Dies ist der Anfang eines Dialoges zwischen Fahrer und Anrufer, ein Fahrgast, der sich zu dieser Zeit im Auto befand hatte, eigenen Angaben zu Folge, Schwierigkeiten, vor Lachen nicht in die Hose zu machen!
 
Es klingelte das Handy, Taxifunk, zum Mithören:
"Tempo-Taxi, der schnelle Fritz." 
"Taxi bitte!"
"Wohin?"
"Hierher!"
"Wo ist hierher?"
"Na hier!" 
"Wo genau ist hier?"
"Na hier wo ich stehe!"
"Welche Straße bitte?"
"Ja die, in der ich stehe!"
"Ja wie heißt denn die Straße?"
"Das weißt du doch, komm doch einfach hierher."
"Wohin zum Teufel soll ich kommen!"
"Zu mir!"
"Und wo ist zu Dir?"
"Ei hier! Kommst du jetzt?"
"Sag mir bitte, wohin!"
"Na. hierher, wo ich immer stehe!"
Aufgelegt.
 
Viertelstunde später, anderer Fahrgast, Telefon klingelt:
 
"Wo bleibt denn das Taxi?"
"Welches Taxi?"
"Was ich vor einer Viertelstunde bestellt habe!"
"Wohin?"
"Hierher!"
"Wo ist hierher?"
"Na hier!"
"Wo genau ist hier?"
"Na hier wo ich stehe!"
"Welche Straße bitte?"
"Ja die, in der ich immer stehe!"
"Ja wie heißt denn die Straße?"
"Weiß du doch, komm einfach her."
"Wohin zum Donnerwetter soll ich kommen!"
"Zu mir!"
"Und wo zu dir?"
"Ei hier! Kommst du jetzt?"
"Wenn du mir sagst wohin, ja!" 
"ZU mir, komm jetzt sofort hierher!"
 
"WO stehst Du denn?"
 
"Hier!"
 
Fahrer und Anrufer haben sich an diesem Abend nicht gefunden!
Mein Kollege, der mir dies berichtete, weiß bis heute nicht, wen er damals am Ohr hatte!
 

 

Unverhoffte Begegnung

Da saß ich nun im Eiscafé und blätterte gelangweilt zum dritten Mal die FAZ durch. Ein Blick zur Uhr trug auch nicht grade zur Erheiterung bei, denn die Zeit wollte einfach nicht vergehen, um an dem magischen Punkt anzukommen, von dem an ich mit der Ankunft meiner Holden rechnen konnte, also eine halbe Stunde nach der verabredeten Zeit. Den auffordernden Blick der Bedienung missachtend nahm ich nur einen winzigen Schluck aus der Kaffeetasse und widmete mich wiederum - ganz grosses Interesse heuchelnd - der Zeitungslektüre. Da fiel von hinten ein Schatten über mich, ich faltete sofort die Zeitung zusammen und wandte mich überrascht um, denn mit einem so frühen Eintreffen meiner Frau hatte ich nicht gerechnet. Zu Recht, wie sich nach meinem Aufspringen und Umdrehen herausstellte!

Es lächelte mich eine Dame von ca siebzig an, zog überrascht die Augenbrauen hoch, umkurvte den Tisch und ließ sich unaufgefordert mir gegenüber nieder. Während ich sie eher aus den Augenwinkeln musterte, fiel mir auf, dass ich von ihr, man könnte sagen "durchgescannt" wurde. Besonders lange verweilte ihr Blick auf meinen Händen, die völlig ohne (Ehe-)Ring waren. Dieser befand sich, seit ich mir an der Bohrmaschine fast den Finger abgerissen hatte in der Nachttischschublade meiner Frau. Auch der Versuch, ihn per Goldkettchen an den Mann zu bringen, war an meiner rabiaten Art, mich der Oberkleidung zu entledigen, gescheitert. Ich wirkte mit durchgebräuntem Ringfinger völlig ungebunden.

Die nette Dame lehnte sich zurück und sprach mich an.

»Hallo, ich bin die Irene und freue mich, ihre Bekanntschaft zu machen, auch wenn Sie mir ein bisschen jung erscheinen.«

’Interessant, mit Sechzig als jung bezeichnet zu werden und ohne eine Ahnung, wie es weitergehen könnte, schaute ich wohl ziemlich verdattert vor mich hin.’

»Ich bin ja wohl ein bisschen spät, Sie haben vorhin ja schon ziemlich ungeduldig auf die Uhr geschaut, aber schön, dass Sie so lange ausgehalten haben. Hallo Bedienung, einen Kaffee, ach ja, trinken Sie auch noch einen, dann zwei bitte und mir noch eine Quarkschnitte.«

’Na sowas, jetzt spendiert sie mir auch noch einen Kaffee, sehe ich so ärmlich oder bemitleidenswert aus?’

»Ach ja, nachher können wir einige Schritte durch den Stadtpark gehen, Sie müssen mir unbedingt von Ihren Plänen erzählen, ich möchte mir von Ihnen ein genaues Bild machen, bevor wir uns ein bisschen näherkommen.«

’Meine Güte, was läuft denn hier für ein Film ab, ich schau mich mal vorsichtig um, ob hier irgendetwas auf die versteckte Kamera hindeutet oder ob sonst was Außergewöhnliches vorgeht.’

»Jetzt sollten Sie aber auch etwas von sich erzählen, Herr Schulze.«

’Herr im Himmel, sie hält mich für einen Herrn Schulze, wie komme ich anständig aus dieser Nummer heraus?’

In diesem Moment ertönte engelsgleich hinter mir die Stimme meiner Frau: »Hallo Schatz, wie ich sehe, hast du in deiner Wartezeit ja nette Unterhaltung gehabt, die Zeit ist dir mit Sicherheit nicht lang geworden?«

»Nein«, erwiderte ich, »als ich kam, stand grade ein Herr auf, feuerte mit den Worten "die können Sie haben" die Zeitung auf den Tisch und einige Zeit später kam diese nette Dame und unterhielt sich mit mir.«

Vom Tisch aufstehend legte ich kurz den Finger auf die Lippen, ein Lächeln, eine Verbeugung und am Arm meiner Frau verließ ich eine verwirrte, leicht errötende Irene, Nachname unbekannt …

 

 
 
Zwei Angler in Oberhessen


Am Rande des Vogelsberges liegt die Gemeinde Mücke, eine Sammlung mehr oder weniger großer Dörfer, sich dennoch, oder grade drum, "das Tor zum Vogelsberg" nennend.
Na ja, so danz verkehrt ist dies nicht, denn von der Autobahnabfahrt Mücke kommt man bequem "in den hohen Vogelsberg", grade mal neunhundertsechzig Meter über dem Meeresspiegel. 
Der kleinste Teil der jetzigen Gemeinde Mücke war bis vor ca 40 Jahren "der Windhain", bestehend aus zwei Bauernhöfen. 
In einem ehemaligen Eisenerz-Tagebauloch entstand der Windhainer See und um den herum eine Feriensiedlung, hauptsächlich von Leuten aus dem Rhein/Main Gebiet bewohnt. Inzwischen wurde es zum Wohngebiet und einige der früheren Ferienhausnutzer verbringen inzwischen dort ihren Lebensabend. 
An einem schönen sonnigen Sonntagmorgen sitzen nicht weit voneinander entfernt zwei Angler und bringen den Würmern das Schwimmen bei, denn mehr tut sich nicht, kein Fisch zeigt sich oder beißt gar an. Zu dem einen Angler, einem Frankfurter, kommt ein anderer Frankfurter und es entspinnt sich folgendes Gespräch:
»Und, wie isses, beiße se?«
»Nee, weißte bei der Sonn, ich glaub da sinn die recht unlustich.«
»Ja, da könnste Recht hawwe, das hab ich schon mehr gehört. Na, dann wirste wohl bald uffhörn, kommst mal uff e Bier zu mir rüwwer.«
»Ich bleib noch e Weil sitze, awwer in ner knappe Stund bin ich bei dir.« 
Soweit der Dialog der beiden Frankfurter. 
Ein Stück weiter sitzt ein Bewohner eines der beiden Bauernhäuser, ein Oberhesse wie er im Buch steht. Man sagt denen ja einen gewissen sparsamen Umgang mit der Sprache nach. Zu diesem gesellt sich ein anderer Einheimischer, sieht zirca zehn Minuten schweigend zu und fragt dann:
»En (und)?«
Der Angler antwortet ohne hochzublicken: 
»Naut (nichts)!«
 

 


 

Drabbles    Hilfe zum Wörter zählen  http://www.woerter-zaehlen.net/

 

Ein Drabble ist eine meist pointierte Geschichte, die aus exakt 100 Wörtern bestehen muss. Dabei wird die Überschrift nicht mitgezählt. Ursprünglich als Fanfiction betrieben, wird sie aufgrund ihrer einfachen äußeren Form gerne von ungeübten Autoren als Einstieg in Lyrik oder Prosa genutzt. 

 

Blattschuss

Thomas starrte gebannt auf den Bildschirm. Mittels Funkmouse ließ er den Geschützturm seines Raumkreuzers langsam aus dem Mondschatten herauswachsen, während er über das Board die Feuerkraft voreinstellte.
Vor ihm schwebte das gegnerische Raumschiff, das sich gerade anschickte, den Planeten Gogon, Mitglied der eigenen Allianz, zu vernichten. Kaltblütig richtete er die drei Fadenkreuze aus - und feuerte!
Das Raumschiff explodierte, Thomas gelangte auf Level siebenunddreißig, fuhr den PC herunter und ging schlafen.

 Lichtjahre entfernt brach ungeheurer Jubel aus! Hatte man auf Gogon ängstlich die Agressoren beobachtet und sich mit dem Untergang des eigenen Volkes abgefunden, dankte man Gott Jachon für die Rettung!




Tabakrauch

Gedankenverloren zog Lord Plumpudding an seiner Pfeife, legte sie im Ständer ab, sah dem Pfeifenrauch hinterher und ergriff das Whiskyglas.

"Lord Darkgreen, ich stelle mir grade vor, dass in diesem Pfeifenkopf nun Abermilliarden neuer Mini-Universen entstanden sind, Sonnen aufglühen und vergehen, kleine Planeten entstehen mt Lebewesen darauf, die sich paaren, vermehren, wieder aussterben und dann fallen die Universen wieder zusammen - interessante Vorstellung!

Lord Darkgreen gab ihm mit seinem Whiskyglas Bescheid und antwortete, genau so gedankenvoll, gemessen:

 "Lieber Kollege, das ist eine faszinierende Vorstellung, aber ich stelle mir gerade vor, unser Universum steckt im Pfeifenkopf eines uns unbegreiflich großen Tabakrauchers!" 


Wechselgeld

 

Kurz vor vier Uhr nachmittags, die Zeit drängt, die Nachtschicht beginnt um fünf Uhr, schnell noch zum Discounter, die wichtigsten Sachen einkaufen.
Frischmilch, Brotbelag und diverse Kleinigkeiten, um die Taxi-Nachtschicht zu versüßen und ab geht es zur Kasse.

13,03 € sagt die junge Kassiererin. Ich brauche sowieso Wechselgeld, lege einen Fünfziger hin und schütte eine Handvoll Hartgeld vor die Kasse, um möglichst viele Geldstücke im Centbereich loszuwerden.
 Die Kassiererin greift kurz zu, hat sich Geldstücke geschnappt und bedeutet mir. den Rest einzupacken.


Auf dem Kassenbon steht "gegeben 53,00 €" - ich schaue ungläubig auf die 39,97 € in meiner Hand!

 

-*-

 

 

 

► Zum Forum Autorenjournal & Website Harald Herrmann

Nach oben